Es erscheint wahrhaftig schwer, angesichts der heute existierenden Medienflut Argumente für das ernsthafte Erlernen eines Musikinstrumentes zu ersinnen. Und hier zudem noch für eines der am schwierigsten zu erlernenden Instrumente, dem außerdem im Volksmund als Fidel, gelegentlich etwas schräg klingendes oder gar lächerliches anhaftet.
Allerdings sind wohl Solche, die sich allzu leicht von der Medienwelt verführen lassen nicht unbedingt für das Geigenspiel geschaffen. Wer hingegen den Ehrgeiz hat, sich und/oder seine Kinder aktiv mit Musik zu beschäftigen, für den gibt es in der Tat einige Gründe, die gerade für das Erlernen des Geigenspiels sprechen.

Mit der Violine wurde ein Instrument geschaffen, das wie kein anderes in der Lage ist, die menschliche Stimme zu imitieren. Ein beseelter Geigenton vermag daher eine ähnliche Faszination auf uns auszuüben, wie sie vom Gesang eines großen Vokal-Interpreten ausgehen kann. Wer sich einmal, beispielsweise in den Bann der traumhaften Melodie des zweiten Satzes aus dem Beethoven'schen Violinkonzert hat ziehen lassen, wird unwillkürlich zur musikalischen Nachahmung getrieben.
Bei keinem anderen Instrument ist jedoch auch die Gratwanderung zwischen Faszination und Abschreckung, zwischen Gelingen und Miß(k)lingen und zwischen Professionalität und Diletantismus so schwierig, wie bei der Beherrschung des Violinspiels.
Einen wohlklingenden Geigenton hervorzubringen, erfordert daher vielseitige Veranlagungen und Talente, die zu fördern, das Erlernen des Violinspiels ausmacht. Es erfährt seinen Reiz dadurch, sich einer wenig alltäglichen Sache hinzugeben und durch ständiges feilen und polieren allmählich zu einer Tonsprache zu gelangen, die uns in die Lage versetzt, unser innerstes nach außen kehren zu können und uns gesanglich mitzuteilen.

Es mag vielleicht verblüffen, wo man die Geige ebenso als hochvirtuos gespieltes Instrument kennt, diese Eigenschaft am Anfang zu nennen, jedoch sind es gerade die einfachen, durch vielfarbige Töne und Klänge geprägten Gesangs-Melodien, die für den Geigenschüler nach ordentlicher Anweisung und Übung in greifbarer Nähe stehen und nicht das, nur wenigen vergönnte, virtuose Geigenspiel, zu dem wir am Ende unserer langjährigen Ausbildung irgendwann vielleicht einmal fähig sind. Gleichwohl, wen die Faszination der großen Violin-Interpreten unserer Zeit ergriffen hat, der darf sich dieses Ziel insgeheim gerne stecken.

Das Ensemblespiel verschafft wunderschöne Klangerlebnisse, sofern jeder Einzelne gelernt hat, ordentliche Töne zu produzieren.Trotz der vielfältigen existierenden Solowerke für Violine ist die Geige in erster Linie ein Gruppeninstrument und ist als solches das gefragteste Instrument in der Orchesterliteratur. Der Geigenklang ist mit der überwiegenden Mehrzahl von Instrumentenklängen kombinierbar und daher das herausragende Instrument um sich mit anderen Menschen auf musikalischer Ebene zu treffen. Aufgrund des vielfältigen Klangspektrums addieren sich eine Vielzahl von Geigenklängen zu immer voluminöseren Klanggebilden wodurch gegenüber anderen Instrumentengruppen immer ein Übergewicht an Geigen in einem Orchesterkörper benötigt wird und dadurch der Geiger in Orchestern aller Kategorien ein gefragter Musiker ist.
Im fortgeschrittenen Lernstadium läßt sich Geige auch alleine spielen und nicht wenige finden ihre Befriedigung darin, technische Raffinessen der Violin-Sololiteratur zu erlernen, die den Rahmen der eigentlich nur vier Saiten zu sprengen scheinen. Allerdings wird die zumeist praktizierte Art des violinistischen Musizierens die Beschäftigung mit dem schier endlosen Repertoire der klassischen Violinsonaten sein, die im fortgeschrittenen Stadium einen geeigneten Klavierpartner erfordern.

Aufgrund des, für das Geigenspiel so wichtigen motorischen Koordinationsvermögens ist die Beschäftigung mit der Geige eine hervorragende Schule um Sensibilität für Bewegungsempfindungen zu wecken, die uns ansonsten verborgen blieben. Damit verbunden ist ein hohes Maß an Disziplin und Selbstkontrolle. Wer sie nicht hat kann sie beim Violinspiel erlernen, unter der Voraussetzung, er ist bereit dazu.

Die anatomisch absonderlichen Handhabung macht das Violinspiel zu einer komplizierten und äußerst geschicklichen Angelegenheit. Es ist somit für viele durchaus ein Anreiz, mit einem Instrument umgehen zu können, das den meisten anderen verwehrt ist. Wir dürfen uns dabei durchaus schon über den Erfolg freuen, einen einzelnen klaren Ton hervorzubringen. Die Steigerung davon, Töne in einer Tonfolge auf einer Geige wohlklingend anordnen zu können ist eine Herausforderung für jeden, der ins Schwarze treffen will. So können und sollten wir uns mit unserem Instrument zu Anfang ruhig unter der Vorstellung beschäftigen, eine besondere Geschicklichkeit zu erlernen, ähnlich wie ein Jongleur, ein Dartspieler oder ein Kunstradfahrer.

Allein schon durch die wunderbare Form einer Geige lassen sich viele Künstler inspirieren.Aufgrund der geringen Distanz zwischen Klang-Genuß und -Mißempfinden fördert das Violinspiel in besonderer Weise das ästhetische Musikempfinden und das kritische Gefühl für saubere Tongebung. Diese Verhaltensweisen werden bereits von der äußeren Erscheinung des Instruments unterstrichen, das mit seiner eigentümlichen Form und seinem wunderschönen, geflammten Holz auf viele Menschen eine faszinierende Ausstrahlung ausübt und von einer, durch etliche Mythen genährten, geheimnisvollen Aura umgeben ist.
Wer die Mühen des Violinspiels auf sich genommen hat und die immense Leistung guten Geigenspiels erahnen kann, wird zu Recht kritischer gegenüber den Verführungen der Medienwelt und entwickelt gerade in unserer Zeit, wo die Super- und Megastars wie Pilze aus dem Boden zu sprießen scheinen einen gesunden Instinkt für die Leistung und Qualität musikalischer Darbietungen.

Daneben gibt es jedoch auch weitaus profanere Gründe, sich unter der Vielfalt an Instrumenten ausgerechnet für die Geige zu entscheiden. Für mich war es damals u.a. der vergleichsweise triviale Umstand, daß eine Geige klein und transportabel ist und daran gemessen ein äußerst umfangreiches Klang- und Tonspektrum bietet. Es erschien mir bei der Auswahl eines Musikinstrumentes sehr wichtig, daß dieses immer verfügbar ist und ich wollte nicht wie ein Klavierspieler darauf angewiesen sein, daß ein solches gerade im Hause war.

Schließlich mag es, angesichts der aufwendig zu erlernenden Technik des Violinspiels vielleicht tröstend erscheinen, daß für den Anfang keinerlei Notenkenntnisse erforderlich sind. Beim Violinspiel, das in erster Linie von Gehör und Muskelempfindungen geleitet wird, fällt das Notenlesen, aufgrund des langsamen musikalischen Fortschritts quasi als Nebenprodukt ab.